23:17h – Bei dem neuen Trendspiel “Killer and Spy” (Mord im Dunkeln ohne Licht aus) muss man logisch kombinieren und lügen. In fünf Runden werde ich vier Mal kaltblütig ermordet – am Ende sogar von meiner besten Freundin. Ich hätte meinen Instinkten folgen und sofort von der Party flüchten müssen. Ich blieb.
0:00h – Wir stehen auf einer Dachterrasse. Ists schon zwölf? Dürfen wir uns schon umarmen? Keiner weiß es so richtig. Wir zählen mehrfach den Countdown runter. So lange, bis sich die Anzahl der Raketen im Himmel exponentiell nach oben geschraubt hat. Happy New Year!
0:07h – Alle telefonieren mit irgendwem. Ich zücke mein Handy. Ich habe eine Whatsapp-Nachricht bekommen! Geil!
“New version of WhatsApp Messenger is now available. Please visit the Android Market or the WhatsApp Website to upgrade to the latest version.”
0:08h – Ich werfe mein Handy gegen die Wand und exe etwas, das im Abgang angeblich nach Bratwurst schmeckt.
0:27h – Die Bratwurst hat gewirkt. Ich habe ein Mikro um den Hals baumeln, zwei Zigaretten im Mund und singe Bonnie Tyler. Überall glitzert es. Ist das noch Make-Up oder sind das schon Sterne?
1:12h – Beim Versuch die Hebefigur aus Dirty Dancing in einem bodenlangen Kleid nachzustellen und mich dabei selbst zu fotografieren, falle ich erstmalig hin. Lande aber weich in einem Meer aus Luftschlangen. Dort bin ich glücklich.
2:45h – Entweder aufs Sofa zum Ehepaar oder auf eine Party mit dem Rest? Eine entscheidende Weiche des Abends nimmt den falschen Lauf.
3:08h – Nach einer unendlich langen Tramfahrt kommen wir bei einer Privatparty am Oranienburger Tor an. Vor der Tür schleudert mir ein Mädchen einen gelben Ofenanzünder ins Gesicht. Es tut trotz Trunkenheit unheimlich weh. Meine Wange schwillt auf das doppelte an.
3:15h – Ich betrachte mich in einem Spiegel in dieser Wohnung. Von der Fleischwunde in meinem Gesicht keine Spur. Jemand bringt mir eine Tasse Waldfruchtlikör mit Redbull. Gegen die Schmerzen. Das Gemisch entpuppt sich sofort als mein neuer Lieblingsdrink.
4:07h – Mir wurden sehr viele Menschen vorgestellt. Alle Sportler. Ich habe mir keinen einzigen gemerkt. Ich freunde mich mit etwas Lametta an und fotografiere eine Flasche Schweppes auf Klo.
4:41h – Jemand tippt mir auf die Schulter: “Komm, wir fahren ins Picknick.” – “No way. Dafür ist es viel zu spät.”
6:06h – Irgendwas hat mich schon mehrfach von der Bank gehauen, auf der ich mit den anderen im Picknick tanze. Wahrscheinlich war es der Schnaps. Ich sollte nach Hause fahren, möchte aber lieber noch ein bisschen glücklich sein.
8:50h – Ich werde von meiner schönen Bank gezerrt: “Wir fahren jetzt ins Kater.” – “Seid ihr irre? Ich komme auf gar keinen Fall mit!”
9:12h – Wir stehen am Eingang. Ich habe keinen Pfennig Geld mehr. Es ist unfassbar hell. An der Tür treffe ich einen Bekannten mit einer Banane im Gesicht. Das ist also das Kater Holzig. Ich war noch nie hier, möchte aber auch wirklich nicht rein.
9:17h – Jemand hat mich am Arm nach drinnen gezogen. Ich stehe und starre und staune. Dieser Club hasst mich! Alles ist wie in einem Horrorfilm. Wenn ich jetzt nicht aufpasse, fressen mich die Zombies bestimmt auf. Und wenn ich jetzt nicht sofort was trinke, werde ich wieder nüchtern. Bloß nicht!
9:21h – Ich mache ein Foto von der Bar. Um meinen Arm hängt eine teure Kamera mit lichtstarkem Objektiv und externem Blitz. “Wenn die Security dich erwischt, fliegst du sofort raus.” Ich kippe meinen Jägermeister runter. War das jetzt eine Drohung oder ein Versprechen? Ich zumindest fordere mein Glück heraus.
9:29h – Das ist es also, das Kater. Post-apokalyptische, kranke Vision von Hippies, die auf Chemie stehen. Abrisshaus aus Disneyland mit Marktplatz, Infrastruktur und Würstchenbude. Ein alles verschlingendes Loch, das sich einfach nicht schert um das sonst so gängige Raum-Zeit-Kontinuum. Eine Parallelwelt der Verrückten. Womöglich werden die mich nie wieder gehen lassen.
9:45h – Ich bin die einzige im Club, die keine Drogen genommen hat, und doch komme ich von allen am wenigsten klar. Außer dem Mädchen da hinten, das Schaum vorm Maul hat und grunzt. Ist es eigentlich schon zu spät jetzt noch mit Ketamin anzufangen?
10:07h – Ich lehne an einer Häuserwand, als mich jemand von der Seite anspricht. Er sieht ganz nett aus. Ich verstehe nicht viel, meine aber, das Wort GHB zu hören. Ich halte mir schnell den Drink zu und rutsche unauffällig von ihm weg. Als er kurz nicht guckt, renne ich so lange bis ich im rettenden Bauch einer riesigen Katze Unterschlupf finde. WTF?
10:18h – Ich verirre mich immer weiter in dieser Katze und bleibe irgendwo zwischen Bumsecke und Bar stehen. Von der Decke hängt ein armdickes Tau. Ich greife danach und lasse es die nächste halbe Stunde nicht mehr los. Etwas Halt in Druffie-Land: unbezahlbar.
10:52h - Was ist eigentlich, wenn mich hier jemand sieht? Zwischen den ganzen Opfern? Wie ich das Tau umarme? Das macht mir echt Sorgen. Ich mache es mir zur Aufgabe, jedem der etwa 2000 Anwesenden zu erklären, dass ich auch wirklich nichts genommen habe. Mir glaubt niemand. Ich sehe aber auch echt scheiße aus.
11:02h - Sonnenbrille! Ich brauche eine verdammte Sonnenbrille!
11:33h – Ich bin durch Gänge geirrt, Treppen hoch und runter gehechtet, über Dancefloors gejagt und stehe nun in der Kloschlange. Es stinkt, gibt keinen Spiegel, ich habe freie Sicht aufs Pissoirs, die Leute gehen zu acht aufs Klo. Ich gucke mir die Anstehenden genauer an – die zucken mit den Mündern, haben riesige Schweißflecken und müssen nie blinzeln.
11:48h – Ich sitze in der Sonne und versuche normal auszusehen. Die Zombies krauchen um mich rum. Überall Dreck und Fratzen. Neben mir isst jemand einen Rollmops und ne Wiener. Gleichzeitig! Ich gucke ihn an – ihm fehlt das Weiße in den Augen. Wie soll ich nur jemals nach Hause kommen?
12:07h – Ich habe endlich den scheiß Ausgang gefunden. Die Kamera hängt noch um meinen Arm. An der Tür werde ich verwarnt. Taaaaaxi!
12:20h – Ich stehe in der Sparkasse. Wahrscheinlich in Berlin. In der Scheibe spiegelt sich etwas, das mal eine Frisur war. Ich gebe meinen Pin ein. Falsch. Ich gebe ihn erneut ein. Wieder falsch. Die Tasten müssen heute irgendwie anders als sonst angeordnet sein. In der Ecke sitzt ein Penner. Vielleicht sollte ich mich einfach zu ihm legen?
12:35h – Ich schaffe es zwar nicht, selbständig die Taxitür zu öffnen, verlange aber noch nach einer Quittung. Auch kurz vorm Koma darf man den Blick fürs Wesentliche nicht verlieren. Wenn diese Fahrt bei der Steuer durchgeht, hab ich das System vollends überlistet.
12:39h – Ich bin zu Hause. Mein Handy ist schon längst aus. Muss es wieder anstellen, brauche ja nen Wecker. Ich gebe den Pin ein. Falsch. Ich gebe den Pin erneut ein. Wieder falsch. Beim dritten Mal werde ich aufgefordert, meinen achtstelligen Puk einzugeben. Scheiße.
12:43h – Ich sitze auf dem Fußboden meines Zimmers. Um mich herum liegen drei Aktenordner und ne Menge Papierkram. Was mache ich noch mal? Ach richtig, Puk suchen. Pukpukpuk. Ich halte mir ein Auge zu, um besser sehen zu können.
12:48h – Mein Handy ist endlich von den Zahlenfesseln befreit. Ich darf mir einen neuen Code aussuchen und tippe irgendwelche Tasten. (Shit! Welche eigentlich?) Ich stelle meinen Wecker erst auf Mitternacht, dann auf 20h.
20:00h – Wer bin ich? Warum lebe ich? Welches Jahrhundert haben wir?
20:02h – Geil. Ich habe den Kater komplett übersprungen. Oder… Oder bin ich etwa immer noch betrunken? Auf meinem Handgelenk prangt hartnäckig eine tollwütige Katze. Ich sollte aufstehen.
21:01h – Gleich stehe ich auf.
22:03h – Nee, echt jetzt. Gleich stehe ich auf.
23:02h – Ich stehe auf. Hui, mir ist noch schwindelig.
23:03h – Ich bin bis zum Klo gekommen. Mein Magen bringt vielleicht nichts mehr hervor, ich würge mich trotzdem durch die nächsten Minuten.
23:13h – Als ich endlich wieder im Bett liege, beschließe ich, nie mehr zu trinken. Dann stelle ich meinen Wecker auf 12 Uhr am nächsten Mittag. Ich hasse Kater. Ich hasse Kater Holzig.
PS: Ich habe aufgehört zu kotzen und hier geht es zu Facebook.
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