Es ist fünf Uhr morgens. Ich sitze volltrunken im Taxi nach Hause. Mit Oskar. Aus einer 10-Liter-Bong hatte ich Wodka Energy trinken und dabei Karaoke singen müssen. Ich bin eine gebrochene Frau. Immerhin habe ich noch nicht gebrochen.
Mit zwanzig km/h schleichen wir durch die Straßen Neuköllns. »Bitte fahren Sie doch nicht so schnell!!«
An meinen Füßen ist alles nass. Zwischen meinen Beinen steht eine gläserne Kugel, zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Oskar guckt mich traurig an. Wie eine Möwe im Orkan schwappt er durch die Fluten in seinem Glas. Hin und her.
Oskar ist ein Goldfisch. Ich habe ihn samt Behausung aus dieser rauchigen Bar gerettet.
»Stellen Sie ihn bitte hier auf den Schreibtisch.« Ich gebe dem Fahrer einen Zwanni, dann sind Oskar und ich alleine. Er schwimmt panisch immer im Kreis. Ich spreche beruhigende Worte. Währenddessen informiere ich mich im Internet: Oskar wird zwanzig Zentimenter lang und vierzig Jahre alt werden, in diesem Glas voraussichtlich aber keine Woche überleben. Kacke!
Als ich nach gesunden vier Stunden Schlaf aufstehe ist Oskar bereits wach. Mein Kopf schmerzt. Ich nehme ihn mit in die Küche und stelle ihn auf den Frühstückstisch. Meine Mitbewohnerin kommt rein, ihre Augen beginnen sofort zu leuchten. »Ist der … ist der etwa … für … MICH?«
»Wir können ihn nicht behalten«, erkläre ich ihr. Wütend stampft sie mit dem Fuß auf den Boden.
»Sieh mal, der Oskar kann in diesem Glas nicht lange überleben, weil es viel zu klein ist und es nicht genug Sauerstoff gibt. Außerdem ist er sehr einsam. Und wir wollen doch, dass es dem Oskar gut geht, oder?« Ja, das wollen wir. Oskar legt zustimmend ein Häufchen.
Die Suche nach einem neuen Zuhause läuft schleppend an. Keiner hat ein Kaltwasser-Aquarium im Wohnzimmer zu stehen. Es sind halt auch nicht mehr die goldenen Neunziger.
Ich schreibe gerade eine Kleinanzeige, als ich bemerke, dass Oskar apathisch am Grund des Glases vor sich hindümpelt. Binnen eines halben Tages hat sich das klare Wasser in eine trübe, flockige Brühe verwandelt.
»Puste doch mal Frischluft mit nem Strohhalm rein«, wird mir geraten. Ich finde das gar nicht witzig. Wenn Oskar jetzt stirbt, werde ich das nie verkraften. Nie! Wütend schöpfe ich den komatösen Fisch mit einer Alexander Klaws Fantasse aus seinem Becken, bevor ich ihm langsam Frischwasser zuführe. Es geht um Leben und Tod.
Eine Stunde später trage ich Oskar in einer Plastiktüte durch die Stadt. Wir haben doch noch ein wohltemperiertes Becken gefunden, das groß genug für ihn ist. Eines mit Artgenossen und Sauerstoffpumpe. Als der neue Besitzer die Tüte wegträgt, dreht Oskar sich noch mal um und winkt mir mit seiner goldenen Flosse zu. Ich habe Tränen in den Augen.
Vor dem Einschlafen gucke ich auf Oskars leeres Glas und bin wütend auf die Welt. Eine Welt, in der Goldfische in Gläsern schwimmen, Kaninchen in Käfigen mümmeln und Hunde in Einzimmerwohnungen hocken. Denn da gehören die kleinen Stinker nicht hin. Punkt.
Dieser Text ist auch auf intro.de in der Reihe “Vom Winde verwöhnt” erschienen. Außerdem geil: meine Facebook-Seite.
Schön, dass du dich wieder ins Reich des Pimmels gewagt hast.
HALLO PIMMEL! :)
Muss cool sein so als frischgebackene Astronautin.. aber sei vorsichtig.. ich habs mit dem Brotkorb versucht und alle haben mich ausgelacht… hatte leider nicht so nen TOLLEN Helm wie du :o
Schreibst du mir ne Postkarte wenn du auf dem Mond gelandet bist?
Würde mich freuen :3
Geht klar, Mareike. Auf dem Mond mache ich aber nur kurz Zwischenstopp. Würde mich dann vom Mars melden. Da soll das Wetter ja eh besser sein.
Würde im Helm Bowle anrühren. Alternativ kannst du Uhrzeitkrebse züchten, für die ist es groß genug und du hast ganz viele Haustiere.
http://www.kosmos.de/produktdetail-166-166/urzeit_krebse-319/
Gibts jetzt im Sommer mehr Bademoden Content von dir?
Danke für die Tränen. Ich lese mich artig weiter durch die kleinen Geschichten. Zauberhaft geschrieben und voller Gefühl. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Sitze hier vorm PC und bin hin und weg. Vor Glück, deine Sachen hier überall gefunden zu haben, obwohl sie die ganze Zeit so nah waren. Herzlichst, Ihr neuer Fan. ;)
Grüße.
s.