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Gefangen im Schoße des Lotus. Thaimassage des Grauens.

Februar 27th, 2012|0 Comments

Ich sitze in einem Ledersessel. Im Empfangsbereich der Thai-Massage. Es dudelt pentatonische Instrumentalmusik aus Miniboxen. Neben mir schwimmen rote Fische mit Glubschaugen in einem zu wenig gefüllten Aquarium. An der Wand hängen Zertifikate der Angestellten. Die könnte ich sogar mit Paint besser fälschen. Ich vermute eh, hier arbeiten nur minderjährige, illegal eingeschleuste Zwangsprostituierte. Dass ein Typ total relaxt aus dem Behandlungsraum kommt, bestärkt meinen Verdacht. Auf einem Tisch brennt ein Räucherstäbchen, daneben liegen Bananen und eine Ananas. Im Schaufenster steht eine goldene Winkekatze aus Plastik. Sie winkt. Ich trinke meinen Tee, es fehlt Zucker. Den Ingwerbonbon lasse ich liegen. Wäre ja noch schöner…

Ich werde von einer jungen Thaifrau aufgerufen. Frau Tuk heiß sie. Sie trägt wie alle Angestellten ein rotes T-Shirt und hat ihr Haar lose mit einer Klammerspange zusammengebunden. Sie lächelt freundlich. Bestimmt wird sie geschlagen, wenn sie es nicht tut. Ich werde in einen Raum geführt, in dem zwei Futonbetten stehen. Sie sind durch einen Vorhang voneinander getrennt. Ich solle mich ausziehen, Unterhose aber anbehalten. Uhr und Mutterkette müssen auch weg. Dann lege ich mich auf den Bauch und befürchte das Schlimmste. Mit Berührungen von Fremden habe ich es eh nicht so. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Frau Tuk mich vielleicht zum krönenden Abschluss untenrum massieren und dann mehr Geld verlangen möchte. Im Bett nebenan stöhnt jemand. Oh oh…

Sie wischt mich mit warmem Wasser ab wie einen Patienten im Delirium. Das ist ganz angenehm. Entspannen tu ich mich trotzdem nicht. Das will die Alte doch bloß!

Ich mache den Fehler und erzähle Frau Tuk von meiner schmerzenden Schulter. Sie hat mich kaum angefasst, da sagt sie entrüstet: “Oooh. Ganss ssöne versspann! Ssie blauchen Massaass!”
Und dann massiert sie. Ihre Unterarme benutzt sie als Nudelhölzer und rollt damit immer und immer wieder über die Schultern. Vielleicht bin ich nicht so gut mit Schmerzbewältigung, aber das hier geht wirklich zu weit. Die massiert mir ja ins rohe Fleisch! Wenn die weiter so macht, fängt sie sich ne schlechte Bewertung auf Qype!

Als Frau Tuk ihren gesamten Körper mit dem Ellenbogen auf dieser einen schlimmen Stelle balanciert, muss ich aufschreien. Hinter mir kichert es. Hallo? Tu wenigstens so, als hättest du Mitleid!

Ich versuche die Zeit im Geiste runterzuzählen. Nach meinen Berechnungen sollten die 30 Minuten gleich um sein. Ich gucke auf. Frau Tuk hängt mit ihren Knien auf meinem nackten Brustbein. Ich schließe die Augen wieder. Das ist kein Anblick für schwache Nerven.
Unermüdlich bohrt sie alles, was sie hat, in meinen Körper. Es würde mich nicht wundern, wenn sie zwischendurch heimlich mit einem Sumoringer getauscht hätte. So starke Finger kann keine Frau haben! Das ist Magie. Schwarze Magie. Voodoo. Diese Naturvölker sind ja sehr anfällig für solchen Hokus Pokus, habe ich gehört.

Zwischendurch biegt Frau Tuk meine Gliedmaßen hin, wo sie will. Als wäre ich eine übergroße Barbie, die man mal stresstestet. Dann verdreht sie meinen Oberkörper in einer Weise, die auch – da bin ich mir sicher – meinen Tod hätte bedeuten können. Es knackt und knirscht und rummst. Als sie das gleiche in die entgegengesetzte Richtung versucht, passiert nichts. Sie probiert es noch mal. Ich kann mich nicht wehren – sie hat mich komplett im Schwitzkasten, meine Arme sind nach hinten gebogen. “Ssie müsse losslasse!”, werde ich von Frau Tuk ermahnt. “Sie müssen mich loslassen!”, denke ich so laut ich kann. Linksrum Körper auskugeln scheitert.

Zwischendurch hockt sie komplett auf meinem Hintern. Die ganze Frau. Die wiegt ja bestimmt auch an die 30 Kilo!
Selbst in den Schienenbeinen finden sich anscheinend Verspannungen, die es zu lösen gilt. Mit roher Gewalt. Aber so ist das im Dritte-Welt-Land Asien – da kommt man mit Pazifismus nicht weiter. Da überlebt nur der Stärkere. Und ich bin das in diesem Fall sicher nicht.

Irgendwann, kurz bevor ich das Bewusstsein verliere, steht Frau Tuk auf und schenkt mir noch etwas Tee ein. Morgen hätte ich dann eventuell Muskelkater, gibt sie mir auf den Weg, bevor sie mich einfach nackt und gebrochen auf dem Futon liegen lässt. Ich verweile noch etwas in der Embryonalstellung und lausche dem Stöhnen nebenan. Als ich mich im Spiegel betrachte, stehen meine Haare in alle Richtungen, mein Maskara ist komplett verlaufen und das Handtuch hat feine Abdrücke in meinem Gesicht hinterlassen. Ich sehe so aus, wie ich mich fühle.

Wie ein Brett bin ich eben ins Bett gekippt. Es ist neun Uhr. Das, was ich in meinem Körper spüre, kann nur noch mit Leichenstarre bezeichnet werden. Etwas Gutes hatte die Massage des Grauens aber – die Schmerzen in meiner Schulter sind nicht mehr so schlimm .
Anstatt dessen tut mir jetzt der gesamte Körper weh.

Sawasdee Kha! (Thailändisch für “winke winke”.)

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