Die Gay-Parties in der Olfe kenne ich schon. Da ist es warm, eng und mit vielen Männern, aber ohne tanzen. Ich kriege dort oft Komplimente und manchmal sogar Nummern. Wenn ich mich schlecht fühle, sind 2 Vodka Cranberry in der Olfe genau das richtige.
Nun aber wollten die Gays mit mir auf eine krediblere Schwulenparty. Sie entschieden sich gegen Pork im Ficken3000 und für GMF im Weekend. Ich fand zwar, das andere klang vielversprechender, aber gut.
Ich gehe auf die Webseite der Clubnacht. Es ertönt der Baywatch Titelsong, ich sehe muskulöse Männer mit kurzen Haaren und nackten Oberkörpern. Die Partyfotos erinnern an Homo-Ballermann. Ich beschließe, Glitzer einzupacken.
Ich ziehe mir das kürzeste Kleid an, das ich besitze und male mir großzügig die Lippen an. Ich gehe total als Transe durch. Super. Bei dem Konzert, das ich vorher fotografiere, werden sie denken, ich sei bekloppt. Aber Hauptsache, die Gays finden mich später nicht langweilig. Auf geht es ins Weekend!
Wir nehmen den Fahrstuhl in den 15. Stock. 37 Menschen (lies: 37 Männer) auf 4 Quadratmetern. “Hier gehts nun mal um Körperkontakt.” Testosteron flimmert in der Luft. Ich kriege Bock, mich an den Eiern zu kratzen. Mit mir hier sind Wolfi und Ralli und Famil und Krank. 75 Prozent meiner männlichen Begleiter tragen Feinrip-Unterhemden. Ich rieche einen Trend.
Wir schieben uns vom Fahrstuhl auf den Dancefloor im 15. Stock. Der Raum ist so heiß, wie ich mir einen Raum voller Schwuler immer vorgestellt hatte. 42 Grad, 99,9% Luftfeuchtigkeit. Wer es sich erlauben kann und/oder ein Tribal auf der Schulter hat, geht topless. Nach 20 Minuten werfe ich meine Strumpfhose ab – bei dem Kleid eigentlich ein Unding, bei den Temperaturen aber unumgänglich.
Ich gehe zur Toilette. Die Euphorie in Erwartung eines leeren Damen-WCs erlischt denkbar schnell. Natürlich gibt es nur Männerklos. Ich stelle mich hinter zehn verschwitze Typen. Kommt einer und pflanzt sich vor mich in die Schlange. Ich tippe ihm auf die Schulter. “Sorry, ich warte auch.” Ist ihm aber völlig Latte. Ein nächster Klotourist zieht einfach komplett an den Wartenden vorbei. Ich bin empört. Schnell wird klar, dass bei diesen Einzelkabinen, die an normalen Tagen den Damen vorbehalten sind, nur Typen anstehen, die bumsen, koksen oder kacken müssen. Den Platz in der Schlange zu verteidigen ist harte Arbeit, das Klo selbst sieht aus wie Sau.
Auf dem Weg zurück zu den anderen Boys fasst mir jemand volle Kanne an den Hintern. Unter normalen Umständen hätte ich dem Nächstbesten eine reingehauen. Hier wackle ich noch mal mit dem Popo und wage einen Blick über die Schulter. Die Hand ist etwas über 20 und schickt mir einen Luftkuss hinterher. Glamourös.
Auf der Tanzfläche läuft etwas, das ich frei als “House” interpretiere. Unhörbar. Ich exe meinen Drink. Neben uns knutscht ein Pärchen. Mann und Frau. “Mitten auf der Tanzfläche. Ekelhaft.” Angewidert dreht sich Wolfi weg.
Auf dem Dach ist es zu kalt, im 12. Stock zu prollig und im 15. zu heiß. Wir lassen uns auf den Sitzen hinter der Bar nieder. Neben uns fummeln zwei Typen. Recht schnell fängt der eine unauffällig an, dem anderen einen zu blasen. So unauffällig wie es halt mitten im Club geht… Ich bin schon mal gehookt. Wenig später gehen die beiden all in. Der Bläser setzt sich auf den anderen und juckelt los. Fünf Meter Luftlinie von mir.
“Du, was machen die Männer da?”, frage ich. Sogar Wolfi und Ralli neben mir klappt beim Anblick die Kinnlade runter. Ich starre möglichst wenig schockiert, möchte aber natürlich nichts verpassen. ”Guck da nicht so hin!”, werde ich ermahnt.
Aber hallo gucke ich da hin. My policy: If you don’t want me to watch you having sex, don’t fcuk in front of my face.
Leider habe ich nichts dazu gelernt. Außer vielleicht, dass man seinen Sitz im Weekend immer mit einem Feuchttuch desinfizieren sollte. Aufregend war es allemal. Live-Gaysex im Club: check!
Wir gehen wieder eine Runde tanzen. Einer unserer Hetero-Freunde gesellt sich zu uns. Ich warne ihn vor, es sei sehr schwul auf der Party. Er trotzt dieser Info und findet sich kurz nach seiner Ankunft auf der Tanzfläche mit einem Verehrer wieder, der ihn küssen möchte. Alle Avancen werden standhaft ignoriert. Nach dem Verschwinden des Küssers vergehen etwa zwei Minuten, dann flüchtet der Hetero aufs Dach “zum Abkühlen”. Kurz danach folgt dann die SMS, er sei gegangen. Es wundert mich nicht.
Verschwitzt gehen wir auf die Dachterrasse. Die eine Seite des Himmels wird schon hell, während sich der Rest noch in Dunkelheit hüllt. Es ist kurz nach 4 Uhr und kühl. Wir ergattern zwei neongrüne Fleecedecken von Ikea, die wir erst pärchenweise aufteilen, in die wir uns vor lauter Euphorie (Vodka) aber wenig später schon zu viert kuscheln. Kalt ist keinem mehr. Um die Sicht gerecht aufzuteilen, rotieren wir in unserem Zylinder aus Fleece ab und zu in kleinen Tippelschritten um die eigene Achse. Zwei weitere Boys quetschen sich in unseren Kreis. Keiner kennt sie, aber sie brauchen eindeutig auch etwas von unserer Liebe. All in ohne Reinstecken. Zwischen fünf Männern klemme ich auf diesem Dach und fühle es. The Löve. And the Sun.
Als das rote Glühen am Horizont in die ersten, zaghaften Sonnenstrahlen übergeht, bin ich glücklich. So schön kann das Leben also sein… Wir applaudieren vor Freude dem Licht entgegen und verlieren dabei kurz die Decke. Am Horizont drehen sich Windräder, an uns vorbei schieben sich die Menschen. Wir bleiben einfach stehen und gucken. So lange bis das Licht uns in den Augen schmerzt.
Auch wenn der Club bis zum Anschlag gefüllt ist und der letzte Vodka noch wirkt, die Party ist vorbei. Zum Abschied gehe ich auf die Toilette. Acht Nackte ziehen sich an mit vorbei. Klar, drängelt ruhig alle vor. Irgendwann ergattere ich eine Kabine. Beim Betreten folgt mir ein druffer Meister Proper Richtung Kloschüssel. Hallo? Da mich seine Pupillen vollmondartig anstrahlen, lasse ich ihm das Klo. Auf dem Weg nach draußen rutsche ich auf einem Kondom aus. Eindeutig der Tiefpunkt des Abends. Wolfi nimmt mich an die Hand und zieht mich zum Fahrstuhl. Wenigstens ist auf die eigene Gang Verlass.
Nach Hause fahren wir zum Entsetzen aller mit der U-Bahn. Es gibt Streuselschnecken und Penner.
Als die Sonne schon voll am Himmel steht, ziehe ich mir meinen Schal über die Augen und träume von nackten Männern. Hach.
Soon to come: Homopedia – Begrifflichkeiten des Schwulseins total p.c. erklärt von deiner Mutter.
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